Die Wochenarbeitsstunden der noch Erwerbstätigen sinken. Die offenen Fragen rund um Kurzarbeit aber nehmen zu. Randstad Juristin Corina Bauer schafft Klarheit und teilt ihre wertvollsten Tipps für Arbeitnehmer.

Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten trauen sich Arbeitnehmer nicht immer, Wünsche oder Zweifel laut auszusprechen. Das Wissen um die gesetzlich verankerten Rechte stärkt die eigene Position und lässt dich mit mehr Überzeugung ins Gespräch gehen. Juristin Corina Bauer löst 5 Fallbeispiele, die dir bei Kurzarbeit begegnen können, und stellt dir ihre Tipps zur Seite.

Tipp 1: Kurzarbeit und kurzfristige Arbeit sind zwei Paar Schuhe

Thomas geht jetzt in Kurzarbeit. Acht Wochenstunden stehen am Plan. Für morgen sind jedoch keine Stunden eingetragen und Thomas hat schon Pläne. Eine anspruchsvolle Runde mit dem Rad hat er sich auf der Karte abgesteckt und der Rucksack für seine Tour ist gepackt. Dann kommt der Anruf: „Wir brauchen dich morgen in der Produktionshalle. Du wurdest soeben eingeteilt.“ Thomas hatte sich schon auf seine Radtour eingestellt und leert jetzt enttäuscht den vorgepackten Rucksack. Kann man nichts machen. Arbeit ist eben Arbeit.

Wir fragen bei Corina Bauer nach, wie die rechtliche Lage in dieser Situation aussieht: Thomas kann seinen Rucksack vollbepackt lassen, wenn er das möchte. Im Falle einer zulässigen einseitigen Einteilung der Arbeitszeit hat der Arbeitgeber jedenfalls eine Vorankündigungsfrist von mindestens 3 Tagen einzuhalten.

Tipp 2: Lohnabrechnung nach Ende der Kurzarbeit anpassen

Julia hat zu ihrer Kurzarbeit noch viele offene Fragen, die alle rund um die Lohnabrechnung kreisen. Glasklare Antworten hat sie in vielen Aspekten von ihrem Arbeitgeber bislang nicht bekommen. Langsam fragt sie sich, ob sie vehement genug nachgehakt hat und am Ende nicht übervorteilt wird.

Corina Bauer soll Licht in dieses Szenario bringen: Für Arbeitnehmer ist es wichtig, zu wissen, dass auch der Arbeitgeber bei diesem Thema derzeit vor vielen Herausforderungen steht. Wenn der Chef oder die Personalabteilung nicht jeden Punkt zu hundert Prozent beantworten kann, dann weil zahlreiche rechtliche Fragen noch offen liegen. Kein Komplott und kein Unwille sorgen hier für Verzögerungen, nur rechtliche Unklarheiten, die gerade nach und nach aufgearbeitet werden. Der Vorgesetzte bzw. das Unternehmen wartet nur bis handfeste Antworten gegeben werden können, die dann auch halten.

In einigen Fällen wird es bei der Lohnabrechnung zu Korrekturen und Aufrollungen nach dem Ende der Kurzarbeit kommen. Denn erst dann lässt sich verlässlich feststellen, wie viele Arbeitsstunden tatsächlich abgeleistet wurden. Bei einigen Fragen gilt es daher, sich momentan noch in Geduld zu fassen. Nach Ende der Kurzarbeit wird es für Anpassungen der Lohnabrechnung nicht zu spät sein. Wie die Abrechnung vorläufig erfolgt, bleibt dennoch eine Information, die Arbeitnehmer einfordern sollten.

Tipp 3: Nein zu Überstunden während der Kurzarbeit

Martins Aufgabenliste war schon gut gefüllt, bevor er in Kurzarbeit geschickt wurde. Nun, da er nur noch einen Bruchteil der Zeit zur Verfügung hat, kommt Martin hinten und vorne nicht mehr zurecht. Da seine Aufgaben von der Firma projektentscheidend und zeitkritisch eingestuft werden, weist der Team-Chef Martin dazu an, Überstunden zu erbringen. Martin zweifelt: Kurzarbeit und Überstunden, verträgt sich das denn überhaupt?

Corina Bauer bezieht dazu eine klare Position: Der gesamte Nutzen von Kurzarbeit liegt darin, eine Situation, in der zu wenig Arbeit fürs Unternehmen vorhanden ist, aufzufangen. Es ist nicht Sinn der Sache, Leute in die Kurzarbeit zu schicken, um Kosten zu sparen, und dann auf der anderen Seite Überstunden anzuordnen. Anders liegt der Fall nur dann, wenn diese Überstunden in der Sozialpartnervereinbarung ausdrücklich verankert sind. Sehen sich Arbeitnehmer abseits dieser Ausnahme mit Überstunden konfrontiert, sollten sie die Sachlage auf jeden Fall mit ihrem Betriebsrat abklären.

Tipp 4: Kündigung direkt nach Kurzarbeit ist gegen das Gesetz

Manuela steckt bereits voller Tatendrang. Denn mit Kurzarbeit ist jetzt endlich Schluss. Nach Monaten des Ausnahmezustands können die Dinge wieder ihren gewohnten Gang nehmen. Darauf freut sich Manuela. Dass ihr Gehalt dadurch wieder in vollem Ausmaß aufs Konto gelangt, ist nun wirklich kein Nachteil. Motiviert startet sie in die Vollzeit-Beschäftigung. Dann trifft es sie völlig unerwartet: Ihr Chef eröffnet ihr – in einem an und für sich sehr nett geführten Gespräch – die Kündigung. Manuela spürt, wie sich ihre ganze Motivation schlagartig in Frust und Enttäuschung verwandelt. Es tue ihm leid, sagt der Vorgesetzte, und er ließe sie nur sehr ungern gehen, aber die Umstände erlauben es nicht anders.

Die Umstände, so Corina Bauer, erlauben in diesem Fall die Kündigung nicht. Denn die Sozialpartnervereinbarung sieht eine – in der Regel – 1-monatige Behaltefrist vor. Das bedeutet, dass die Weiterbeschäftigung nach der Kurzarbeit im Rahmen dieser Frist vertraglich abgesichert ist. Nur in Ausnahmefällen wird dies nicht zur Anwendung kommen. Hält der Arbeitgeber diese Behaltefrist nicht ein, riskiert er den Verlust der gesamten Kurzarbeitsbeihilfe. Somit ist es auch im Interesse des Arbeitgebers, die zugesagte Weiterbeschäftigung einzuhalten.

Sollte nach Ablauf der Frist doch eine Jobsuche anstehen: Es gibt auch jetzt Branchen, die dringend Arbeitskräfte benötigen.

Tipp 5: Kurzarbeit ist deine Chance auf eine Bildungskarenz

Daniel spielt schon länger mit dem Gedanken, in Bildungskarenz zu gehen. Er hätte Lust darauf, wieder einmal Neues zu lernen und die Abwechslung reizt ihn. Zudem gibt es immer wieder interessante Projekte, die ausschließlich an Kollegen mit bestimmten Zusatzqualifikationen vergeben werden. Daniel hatte seinen Chef schon einmal auf seine Pläne angesprochen. Damals konnte sein Teamleiter aber unmöglich auf Daniels volle Arbeitsleistung verzichten. Nun – in Corona-Zeiten – sieht die Lage anders aus. Aber geht das jetzt überhaupt? Und ist es eine gute Idee, in einer so schwierigen Phase wie dieser mit Wünschen an den Vorgesetzten heranzutreten?

Corina Bauer stärkt Daniel und allen, die eine Bildungskarenz in Betracht ziehen, den Rücken. Eine Weiterbildung ist ein Plan von beiderseitigem Vorteil – und das Timing könnte besser kaum sein. Mit einer Bildungskarenz können Arbeitnehmer die Situation gut nutzen. Unternehmen werden derzeit mehr gewillt sein als sonst, dem Wunsch nach einer Bildungskarenz nachzukommen. Finanziell ist dieses Vorhaben durch das Weiterbildungsgeld des AMS abgesichert – sofern alle Voraussetzungen dafür erfüllt werden. Wichtig ist es hier, frühzeitig in das Gespräch mit dem AMS zu gehen.

Weiterbildung und Neuorientierung in der Krise stellen eine Herausforderung dar – aber eine, die sich auszahlt.

 

Stand der Informationen: 3. Juni 2020